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Interview zum Beitrag „Bindungsstörung“

mit Jan Wiedemann

Warum ist es für pädagogische Fachkräfte, Erzieher:innen und Lehrkräften wichtig, sich über das Phänomen „Bindungsstörung“ zu informieren?

Weil man in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen immer wieder mit schwierigen Verhaltensweisen konfrontiert ist, für die es die verschiedensten Erklärungen und Ursachen geben kann. Eine mögliche Ursache ist die Bindungsstörung, die zu erheblichem Leid der Kinder und Jugendlichen und deren Eltern führt, aber auch Auswirkungen auf andere Bezugsrahmen, zum Beispiel Schule hat. Pädagogische Bezugspersonen können mit relativ einfachen Mitteln die Probleme einer Bindungsstörung reduzieren.

Wie kann das in welchen Situationen gelingen?

Es geht immer um Unterstützung bei der Regulation. Das betroffene Kind hat Schwierigkeiten Gefühle selber zu regulieren, das sollte zunächst einmal akzeptiert werden.  Ein Beispiel: das betroffene Kind wird durch andere geärgert, oder fühlt sich geärgert, die ungünstige Reaktion der Erwachsenen wäre: „Das regeln die schon selber“.

Es ist notwendig die grundlegenden Bedürfnisse nach Sicherheit, Struktur und Unterstützung bei der Regulation von basalen Bedürfnissen wie Sicherheit, Schutz, Ruhe/ Anregung, Durst/Hunger, Autonomie und Wünschen nach Unterstützung ernst zu nehmen. Eigene Handlungen sollten unterstützend sein, aber auch zu viel Unterstützung kann als Einmischung und Aggression verstanden werden. Eine gute Nähe- und Distanzregulation der Erwachsenen ist daher unerlässlich. Der Erwachsene muss sich darauf einstellen, mit den Bedürfnissen aus der Kleinkindphase konfrontiert zu werden. Es ist notwendig, das Entwicklungsalter, das vom tatsächlichen Alter abweichen kann, freundlich zu akzeptieren.

Warum ist es so dringend notwendig, bei Verdacht auf Bindungsstörungen die Jugendhilfe zu informieren, wenn die Probleme relativ leicht reduziert werden können?

Eine Unterstützung durch die Jugendhilfe ist nötig, weil der Verdacht besteht, dass in der Familie destruktive Handlungen beziehungsweise Vernachlässigung immer noch vorhanden sind. Dies zu kontrollieren und zu ändern ist eine Aufgabe der Jugendhilfe.

Sie sagen, dass eine Bindungsstörung nur aus dem des-organisierten - desorientierten Bindungsstil entsteht. Sind unsichere Bindungsmuster nicht auch „Bindungsstörungen“? Oder entwickeln sich daraus andere Störungen?

Die anderen Bindungsstile beziehungsweise Bindungsmuster haben auch einen Einfluss, aber sie führen nicht zu einem Ausscheiden aus den üblichen Bindungsmustern zwischen Menschen. Der desorientierte Bindungsstil bzw. die daraus resultierende Bindungsstörung führt zu erheblichen Schwierigkeiten mit anderen Menschen, weil die eigene Regulationsfähigkeit nur dysfunktional erworben wird. Dies mündet immer wieder in erheblich pathologische Reaktionsmuster. Depressionen, Aggressionen, Selbstverletzungen, Abhängigkeiten und Süchte als Hilfsmittel zur Selbstregulation können die Folgen sein.

Zum Autor

Jan Wiedemann, Diplom-Psychologe, arbeitet in der Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie mit vier- bis elfjährigen Kindern und in eigener Praxis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.

In unserer Veranstaltungsreihe WAS IST DA LOS? – WAS KANN ICH TUN? war er mehrfach zu den Themen „Traumatisierungen“ und „Bindungsstörungen“ als Referent tätig.

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Bindungsstörung.

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Aktion Kinder- und Jugendschutz S-H e. V. in Kooperation mit der Koordinierungsstelle gesundheitliche Chancengleichheit bei der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in S-H e. V.

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