Interview zum Beitrag „Resilienzförderung – Angst und Depression bei Kindern und Jugendlichen“ mit Prof. Dr. Jeannette Bischkopf
Sie sprechen „Depressionsprävention“ als eine Aufgabe von Schule an. Was kann Schule, was können Einrichtungen der Jugendarbeit oder Jugendhilfe konkret dazu beitragen?
In der Depressionsprävention unterscheiden wir direkte und indirekte Strategien. Ein gutes Schulklima, das soziales Lernen unterstützt, trägt sehr zur Prävention psychischer Störungen bei. Wir wissen aus Untersuchungen, dass es einen Zusammenhang zwischen Depression, Suizidalität und Mobbing gibt. Daher sind eine gute Mobbingprävention und ein rechtzeitiges fachliches Eingreifen, um diese Entwicklungen zu stoppen, sehr wichtig. Das wären indirekte Wege, für die eine gute Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit wichtig ist und die, die gesamte Organisation betreffen.
Direkte Möglichkeiten sind Workshops und Projekte, die für Depressionsprävention im Kontext Schule für unterschiedliche Altersgruppen entwickelt und evaluiert wurden. Sport, Bewegung und Achtsamkeitsübungen sind hier ebenfalls als Möglichkeiten zu nennen, die als wirksam in der Depressionsprävention untersucht sind. Diese Möglichkeiten werden m.E. zu wenig genutzt, da Schulen oftmals völlig unzureichend aufgestellt sind mit viel zu wenig Stellen für Schulpsycholog*innen und Schulsozialarbeit.
Hauptaugenmerk von Lehrkräften sollte ein offenes und wohlwollendes Klassenklima sein, in dem Schüler:innen sich äußern und gegenseitig unterstützen können. Wichtig ist auch eine gute Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit und Lehrkräfte sollten diese frühzeitig einbinden und sich Unterstützung holen, um weitere Hilfen im individuellen Fall anzuregen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Ressourcen an Schulen ausgebaut werden.
Wäre „Psychoeducation“ – also die Aufklärung, was Angststörungen und Depressionen sind – ein hilfreicher Weg?
Auf jeden Fall ist Aufklärung über psychische Störungen und darüber, wo man Hilfe findet, sehr wichtig. In der Pandemie ist dieser Bedarf über alle Schulformen hinweg noch deutlicher geworden, so dass mit dem Pilotprojekt Mental Health Coaches nun eine Antwort auf diese Bedarfe versucht wird. Wichtig ist aber auch, Lehrkräfte für Frühwarnzeichen von psychischen Krisen bei Schüler*innen zu sensibilisieren. Depressive Entwicklungen können auch hinter herausforderndem, z.B. aggressivem Verhalten oder Schuldistanz stecken, hier braucht es mehr Aufklärung.
Welche Hinweise gibt es dafür, dass ein Kind/ein:e Jugendliche:r Hilfe braucht?
Schuldistanz ist ein großes Problem, aber auch herausforderndes Verhalten wie Aggressivität. Auffallen sollte auch immer, wenn Schüler:innen oft allein sind und wenig Freunde haben, sich zurückziehen, die schulischen Leistungen sich plötzlich verschlechtern oder eine gedrückte Stimmung anhaltend ist. Stimmungsschwankungen und eine besondere Dünnhäutigkeit sind sicher normale Begleiterscheinungen der Veränderungen in der Pubertät. Anhaltende gedrückte Stimmung oder Äußerungen, dass alles keinen Sinn hat, sollten auf jeden Fall sehr ernst genommen werden. Auch ein Abtauchen in einen exzessiven Medien- oder Cannabiskonsum muss als Signal verstanden werden, da dies in manchen Fällen als Selbstmedikation eingesetzt wird und tieferliegende Probleme, wie mögliche depressive Entwicklungen verschleiert. Voraussetzung, Hilfebedarfe zu erkennen, ist in jedem Fall ein guter Kontakt und ein achtsamer aufmerksamer Umgang miteinander, denn auch wenn es diese allgemeinen Warnsignale gibt, sind die jeweiligen Bedarfe und Hinweise natürlich sehr individuell.
Zur Autorin
Jeannette Bischkopf, Prof. Dr. phil., ist Professorin für Psychologie und Gruppendynamik an der Fachhochschule Kiel im Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit.
Sie hat als Referentin an unserer Veranstaltungsreihe „Was ist da los? Was kann ich tun?“ 2022 mitgewirkt.
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Resilienzförderung für Kinder und Jugendliche mit psychischen Störungen – Schwerpunkt Angst und Depression
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Aktion Kinder- und Jugendschutz S-H e. V. in Kooperation mit der Koordinierungsstelle gesundheitliche Chancengleichheit bei der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in S-H e. V.